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  • Paul-Pierre Egli

Das Uhrwerk im Berntor von Murten


*Nach seinem Artikel: "Das Uhrwerk im Berntor von Murren" erschienen in "Der Bund" Nr. 213, September 1974


Die Schweiz wird von Uhrenhistorikern als das Land der Zeitglockentürme bezeichnet. Von diesen Monumentaluhren sind nur die markantesten geschichtlich erforscht und beschrieben worden. Manche Objekte mit umfangreichem schriftlich überliefertem Material sind noch zu bearbeiten.

Das Berntor, Untere Tor oder Zeitglockenturm, wie der Bau in der Murtener Ringmauer genannt wird, birgt eine der schönsten Turmuhren aus dem ersten Viertel des achtzehnten Jahrhunderts. Auf dem oberen Band der Hauptwerkrahmens ist ringsherum die Inschrift eingemeisselt:

Cette Horloge a Etee Faite * Lan 1712 Par Les * Freres Pierre * Et David * Du Commun Horloger De La * Chaux de - Fond Bourgois * De Vallangin.

Die beiden Turmuhrmacher, oder „Horloger en gros volume“ wir die Berufsbezeichnung zu ihrer Zeit hiess, waren richtige Pioniere und gehörten zu den Begründern der Uhrmacherei im Jura. Die Besitzung Neuenburg kam nach dem Aussterben der Dynastie Orléans-Longuewille mit Mairie 1707 an König Friedrich I. von Preussen, welcher mit seiner Politik dem Handwerk Auftrieb verschaffte. Besonders in den Hochtälern des Hinterlandes wo man frei von engen Zunftvorschriften war, konnten sich die Handwerker entwickeln. Es ist verständlich, weshalb die Ausführung des Urwerkes in Murren Neuenburger Uhrmachern anvertraut wurde. Neben Pierre und David Ducommun traten auch die Brüder Isaac und Abram Brandt in La Chaux-de-Fonds, sowie die Familie Pettremand in Neuenburg-Stadt als tüchtige Turmuhrmacher hervor.

Im Stadtarchiv Murten, welches Dr. Ernst Flückiger in hingebungsvoller Arbeit ordnete, ein Verzeichnis der Bestände anlegte und damit wissenschaftlich zugänglich machte, erhält man durch die Dokumente Aufschluss über die Vergangenheit der Stadtuhr. Die ersten Angaben liefern die Burgermeisterrechnungen, Am Aschermittwoch 1450 wurden Ausgaben „por le reloge“ vermerkt. Eine Räderuhr ist aber erst ab 1478 belegt, da in diesem Jahr ein Zifferblatt bezahlt und das Uhrwerkseil ersetzt wurde. Bereist 1465 jedoch wurde das „horloguum“ als reformbedürftig und ein Jahr später als alt bezeichnet. In den folgenden zweieinhalb Jahrhunderten erforderte diese Einrichtung sehr viel Unterhalt. Das Werk wurde von Freiburger Berner und Neuenburger Handwerkern revidiert, dazwischen auch von einheimischen Schlossern „gebessert“.

Den Aufbau dieses Uhrwerkes kann man sich ähnlich demjenigen der Ducommun vorstellen. Die Steuerung des Ablaufes besorgte aber nicht ein Pendel, sondern ein Waagebalken oder eine Radunruh. Dieses Element vollzog keine isochrone Schwingung. Der gleichmässige Gang der Uhr war weitgehend von der Reibung in den lagern, diese von der Schmierung abhängig, und so für Temperaturschwankungen empfindlich. Erst als die Anwendung des nahezu frei schwingenden Pendels im Jahr 1657 Christian Huygens gelang, wurde es möglich, die Uhren regelmässiger zu steuern. Dem grasten Teil der alten Uhren wurden fortan Pendel eingebaut.

Die Murtener Stadtuhr genügte 1711 den Anforderungen nicht mehr, so dass der Rat der Stadt sich damit befasste. Das Ratsmanual berichtet:

A. 1711 Mens July 9. die Senat: Convenit Dorn Sigismundus Steigerus

Weilen die Statt Uhr répariend vonnöhten ist aberahten, das man einem gewüssen Uhrmacher auss dem Locle welcher seinen dienst anerbotten zuschreiben und von ihme erfahren sollte, wass und wie viel er fordern, umb nachwerts zuschliessen ob man die Arbeit ihme, oder aber dem Meister von Fryburg, so die Uhr albereit besichtiget, anvertrauwen wolle, Beyneben soll Herr Burgermeister die Tächern, Stägen, Büden und Anderes so in dem Zeit Glocken Thurm von nöhten ehestens erbesseren lassen.

am 3. August wurde dem Messer von Freiburg der Auftrag anvertraut, das Uhrwerk zu reparieren und „die Unruw en pendule zumachen“.

Montags 3.ter Augusti, continuierte der Raht seine Session, und Praesidierte Mein hochgeachteter Herr Schultheiss Steiger.

Nach abgestatteter rélation Herr Burgermeister wie die Statt Uhr von dem Uhrjemacher von Freyburg, und einem anderen Meister auss dem Locle visitiert, und wass für die reparation derselben von Eint und anderem gefordert worden, hat ein Ehrsam Raht geschlossen dasss man solche dem Meister von Freyburg anvertrauwen, und das jenige, so er gefordert bezahlen solle, dass ehre ein gute Arbeit und die Unruhw en pendule zumachen verspreche.

Diese Änderung war offenbar nicht zufriedenstellend, oder es müssen sich während der Ausführung derselben Schwierigkeiten ergeben haben. Man findet im Ratsmanual vom 2. November des gleichen Jahres die Eintragung, dass einem Uhrmacher aus La Chaux-de-Fonds der Auftrag zu erteilen sei, eine neue Uhr anzufertigen.

Novembris 2.ter 1711. Ward eine Versammlung meiner Herren Räht und Burger gehalten.

Richter

Mein hochgeachteter Herr Schultheiss Steiger.

Denen jenig Herre, so da mit einem gewüssen Uhrjmacher aus Chau de fond welcher sich anerbotten eine gantz nüwe Uhr umb 100 Kronen auffzustellen, sofehrn man ihme die alte überlasse accordiert, hat man völlig zuschliessen und was noch weiteres zuveranstalten, auffgetragen.

Leider ist der Vertrag zwischen Gemeinde und Uhrmacher nicht überliefert, Pierre und David Ducommun sind im Ratsmanual nicht namentlich erwähnt. Die ausführliche Signatur auf dem Uhrwerk fällt auf, so dass es möglich ist, dass es sich hier um eine Garantie-Unterschrift handelt, Ein Hinweis gibt die Eintragung im Rartsmanual vom 7. November 1712.

Ordinari Session des 7.te Novembris 1712

Richter

Mein hochgeachteter Herr Schultheiss Steiger.

Weilen der Uhrjmacher, so die neüwe Statt-Uhr gemacht, sich offeriert, ein Actum deren wärschaffthalber von sich zegeben, soll derselbe bezogen, und zukünftig nöhtigen Behelff auffbehalten werden.

Im Jahr 1776 musste der Zeitturm wegen Einsturzgefahr abgebrochen und von Grund auf neu aufgebaut werden **. Dem „Uhrimacher Brunner und dem Zeit-Reiser Baudenbacher“ wurde vom Rat der Stadt aufgetragen, das Uhrwerk vorübergehend im grossen Kirchturm aufzurichten ***. später wurde mit dem „allhiesigen Uhrimacher Brunner“ über eine neue Uhr beraten und ihm aufgetragen, einen Devis darüber zu errichten****

Der Neubau des Turmes zog sich bis ins Jahr 1778 hinaus, und wir finden heute darin das alte Uhrwerk von 1712, Der Stuhl aus Eichenholz, auf dem das werk sitzt, steht konstruktiv im Widerspruch zum Balkenwerk des Turmes, er wurde vermutlich aus dem Altbau übernommen. Die beiden Holzwalzen ragen die Antriebsgewichte, welche mit Hilfe einer Handkurbel täglich aufgezogen werden müssen. Das 2,87 Meter lange, seitlich angeordnete Pendel ist durch eine Schubstange mit dem Werk verbunden und hat eine Kalksteinkugel als Pendelgewicht. Das Zeigerwerk ermöglicht gegen die Stadtseite in die Zeitangabe mit Stunden und Minutenzeiger. Es stammt vermutlich aus der Zeit des neubaus, In Richtung des Landes wird die Zeit allein mit einem Stundenzeiger angegeben.


Das Hauptwerk erhält neben dem Gaswerk das Stundenschlagwerk mit Schlossscheibe. Der Werkständer misst 137 x 93 x118 cm. ausser den Lagerbüchsen aus Bronze besteht das Uhrwerk aus Eisen und gehärtetem Stahl, Es ist anzunehmen, dass der seitlich angefügte Radkörper bereits 1712 so gesetzt wurde. Er hat eine gekeilte Ständerkonstruktion, und die Bearbeitungsspuren weisen auf ein höheres alter, Es war üblich, dass Turmuhrmacher die alten Werke an Zahlung nahmen und das Material oder ganze Teile davon direkt wieder verwendeten. Ob es sich hier um einen Titeln des alten Murtener Uhrwerks handelt, ist nicht sicher.

Es ist sehr erfreulich, dass das Uhrwerk des Berntores in so gutem Zustand erhalten gebieben ist. Der Umstand, dass bei alten Turmuhren die Antriebsgewichte täglich aufgehoben werden müssen, bringt ein Personalproblem. die Bereitschaft zur zuverlässigen Wartung mimmt leider vielerorts ab. Elektrifizierungen sind für die Zukunft kaum zu umgehen. die alten Werke sollten dabei aber nicht berührt werden, sondern als Kunstdenkmäler und Vorbilder tüchtigen Handwerks unseren Nachkommen erhalten bleiben.

** Baupläne und Angaben zum Neubau des Berntors in Murten in: Kulturelle Monatsschrift DU; Egli Kurt Jakob, Konkurrenz für den Zeitturm in Murren, Conzett u. Huber, Zürich, November 1973

*** Ratsmanual Murten 12. August 1776

**** Ratsmanual Murten 25. September 1777

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